WISSEN MUSS TEILBAR SEIN

Im Auftrag von Ernst Abbe erarbeitete Eduard Rosenthal das Statut des Lesehallenvereins, das am 20. Februar 1896 verabschiedet wurde. In ihm wurde die Parität der Buchbestände festgeschrieben. Nicht die politische, religiöse oder wissenschaftliche Tendenz, sondern einzig und allein der literarische Wert bestimmte die Anschaffung eines Buches. Von 1896 bis 1899 Mitglied des Vorstands und „ehrenamtlicher Oberbibliothekar“, hatte Rosenthal von 1899 bis zu seinem Tode 1926 den Vorsitz des Jenaer Lesehallenvereins inne. 

In seiner Ansprache zur Einweihung der Lesehalle im Jenaer Volkshaus nannte Eduard Rosenthal die Verbindung von Zeiss-Stiftung und Lesehalle eine „Liebesheirat“ und das neue Gebäude einen „Volksbildungspalast“. Alle Nutzer, ob Lehrling oder Professor, „höhere Tochter“ oder Hausfrau, hatten den gleichen Zugang zu einem Lesestoff, den sie frei nach ihren Interessen und Bedürfnissen wählen konnten. Ins Zentrum seiner Rede stellte Eduard Rosenthal die Parität der ausgelegten Zeitungen, Zeitschriften und der auszuleihenden Bücher. Er beschreibt die Lesehalle als einen kulturellen Ort zur Einübung eines demokratischen Diskurses und eines da- raus erwachsenden Toleranzverständnisses gegenüber Andersdenkenden. 

Für ihn war sie ein Mittel zur Förderung des sozialen Friedens. Dieser Gedanke blieb keine Utopie, sondern konnte als soziale Wirklichkeit praktisch gelebt werden. So erlangte die Jenaer Lesehalle im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts deutschlandweite Bedeutung. 

Dietmar Ebert: Eduard Rosenthal – ein fragmentarisches Lebensbild,in: Villa Rosenthal. Geschichte und Vermächtnis einer jüdischen Familie, herausgegeben von jenawohnen, Jena 2019, S. 26f.